Gesundheit 2024/2025


Dezember 2024 - April 2025


Unser empfindsamer Körper

Foto: © guvo59 – pixabay.com
Foto: © guvo59 – pixabay.com

Autorin: Katrin Jonas 

 

Wenn wir unseren Körper ins Verhältnis zur Dimension und Kraft unseres Lebensraums, der Natur oder sogar des ganzen Kosmos setzen, muss er uns wie eine Miniatur vorkommen. Und vor allem wird uns seine Zartheit bewusst. Der sensible Stoff, aus dem er gemacht ist, seine dünne Haut, seine weichen Organe, die tofuähnliche Hirnmasse und sein fühlendes Herz sind Ausdruck seiner Fragilität. Da er im Laufe der Evolution sogar sein beschützendes Fell abgelegt hat, ist er seiner Umgebung ausgelieferter, als es der Körper eines Lebewesens jemals zuvor war.

Darüber hinaus ist auch die menschliche Motorik begrenzt. Wir können nicht wie die Vögel davonfliegen oder wie die Wale, Delphine und Reptilien einfach abtauchen. Und mit unserer Fähigkeit zur Selbstverteidigung sieht es auch nicht rosiger aus. Wir haben keine scharfen Krallen, weder gefährliche Reißzähne noch Gift speiende Drüsen, die unsere Unversehrtheit sichern.

Wie es sich in der Evolution auch immer zugetragen hat: Der menschliche Organismus ist der feinste, der je geboren wurde. Und das bringt mit sich, dass er verwundbar ist und Schutz braucht.

 

Innerer und äußerer Selbstschutz:

Die Roadmap zu einem organischen Körperverständnis 

Es ist kein Zufall, dass die Natur unseren Organismus mit so viel Zartheit ausgestattet hat. Das hängt damit zusammen, dass der Homo Sapiens in der Entwicklung ein paar Stufen auf einmal genommen hat und in ihm ein Bewusstsein wohnt. Dieses braucht offenbar eine durchlässigere Hülle als unsere dickfelligen Vorfahren, sodass es eingehüllt in die Schichten des Körpers wachsen und durch diese hindurchscheinen kann.

Doch damit unser Organismus dabei auch genug Schutz erfährt, ist der Natur ein Geniestreich geglückt: Sie hat in uns ein Sicherheitssystem installiert und die Funktionsweise des Zentralen Nervensystems so eingerichtet, dass es wie ein hochspezialisierter Bodyguard wirkt. Dieser filtert alle Gefahren im Außen heraus und entwirft daraufhin die exakt passende Sicherheitsstrategie. Die damit verbundenen Reaktionen, wie der Stress- oder der Traumareflex, bilden unseren somatischen Survivalguide und helfen uns, in Gefahren- und Stresssituationen bestmöglich behütet zu sein.

Doch so hilfreich diese Schutzreflexe in Stress- oder Gefahrensituationen für uns sind, so viele Probleme können sie bereiten, wenn sie bleiben. Wie Neuro- und Traumaforscher herausstellen, ziehen sie sich nämlich nicht immer automatisch zurück, wenn die Gefahr verebbt ist. Sie hinterlassen Spuren und führen zu Ungleichgewichten im Organismus, die nicht nur sein natürliches Funktionieren hemmen, sondern die Ursache von vielen gesundheitlichen und für unsere Zeit typischen Symptome sind. Also hat dieser gutgemeinte Selbstschutz auch eine Kehrseite. Und deshalb ist es wichtig, dass wir den Ist-Zustand unserer inneren Schutzmechanismen kennen und aktualisieren – und gleichzeitig unseren äußeren Selbstschutz im Blick behalten.

Wenn wir diese beiden Aspekte, den inneren und den äußeren Selbstschutz, verstehen und leben, übernehmen wir einen großen Teil der Bodyguard-Leistungen sogar selbst. Und das kommt unserer Gesundheit immens zugute:

  1. Indem wir erkennen, dass die Selbstschutzreflexe die Ursache zahlreicher gesundheitlicher Probleme sind, wird uns klar, warum sich viele von ihnen durch die Anwendung herkömmlicher Methoden nicht zurückziehen. Allein diese Erkenntnis kann eine Riesenüberraschung für Menschen mit Langzeitsymptomen sein.
  2. Indem wir erfahren, welche somatisch klugen Schritte wir gehen können, damit sich die Schutzreflexe zurückziehen, gehen wir mit unserer Selbstregulation Hand in Hand. Körperliche, emotionale und seelische Symptome dürfen heilen, und das versetzt uns einen Wohlfühlbooster ohnegleichen.
  3. Indem wir sehen, welche Lebensweise und persönlichen Prioritäten unseren Selbstschutz stärken, tragen wir dazu bei, dass sich keine neuen Schutzreflexe manifestieren. So können wir uns inmitten einer unkontrollierbaren Welt dennoch wohl und gut behütet fühlen.

In diesem Buch entblättere ich, welches somatische Wissen wir beim Umgang mit Stress- und Traumareflexen benötigen und woran wir uns dabei orientieren können. Gehen wir’s an!

 

Das innere Bodyguardsystem des Körpers und sein Wirken

Den inneren Selbstschutz als Survivalguide des Organismus verstehen

Wann immer ich mir die Dienstleistungen unseres inneren Selbstschutzsystems etwas genauer ansehe, beginne ich sofort, den menschlichen Körper zu bewundern. Mich erfasst eine Ehrfurcht davor, mit welcher Weisheit die Natur uns Menschen erschaffen hat.

Erstmalig kam ich mit dem Thema des inneren Selbstschutzes in den neunziger Jahren in Kontakt, als ich meine Ausbildung zur Feldenkraislehrerin absolvierte. Bis dahin hatte ich von Schutzreflexen, die sich in unserem Organismus einnisten können, noch nie etwas gehört, obwohl ich damals mein berufliches Zuhause bereits auf dem Gebiet der Körper-Mind-Intregration und des Körperbewusstseins gefunden hatte. Ich erfuhr, dass der Physiker Dr. Moshe Feldenkrais bereits Jahrzehnte zuvor auf solche Schutzmechanismen in seiner praktischen Arbeit mit der Feldenkraismethode eingegangen war. Danach verschlang ich die Bücher des kanadischen Arztes Dr. Thomas Hanna, der Begründer von Hanna Somatics, in denen er die Konsequenzen der Schutzreflexe für das neuromuskuläre System und die Sensomotorik beschrieb. Und ich werde die vielen Aha- Momente nicht vergessen, als ich dieses Verständnis sowohl in meinem eigenen Körper als auch später im Zuge meiner therapeutisch-coachenden Arbeit bei anderen Menschen wiederfand.

Gleichzeitig sah ich damals, dass dieses Wissen über die Selbstschutzmechanismen in der Medizin- und Therapielandschaft damals so gut wie keine Rolle spielte. Weil es sich nur bis in ein paar alternative Nischen vorgearbeitet hatte und somit Insiderwissen blieb, wurde es so vielen Menschen mit gesundheitlichen, emotionalen und seelischen Problemen vorenthalten. Diese steckten in Therapiekreisläufen fest, schluckten unnötigerweise Medikamente, unterzogen sich überflüssigen Operationen und verpassten so ihre Chance auf ein gesundes Leben. Der symptomorientierte Ansatz in Therapie und Heilung war so übermächtig, dass es in diesem keine Schlupfwinkel für die Beobachtungen der Somatiker und Body-Mind-Mediziner zu den Schutzmechanismen gab.

 

Die somatische Forschung und inneres Lernen

Doch glücklicherweise ist das Thema des Selbstschutzes in den letzten fünfundzwanzig Jahren nahezu revolutioniert worden. Immer wieder bahnten sich mutige, kluge Visionäre und Pioniere den Weg in die Öffentlichkeit, die durch ihre medizinische, heilende oder wissenschaftliche Arbeit neue Wege aufzeigten. Wissenschaftler, Hirnforscher, Mediziner und Fachautoren brachten das verborgene Wissen über das natürliche Funktionieren des menschlichen Organismus nachdrücklicher in die öffentliche Diskussion, so dass es immer mehr Menschen zugänglich wurde. Und weil das seit einigen Jahren auch die Neurowissenschaft mit bildgebenden Verfahren in Bezug auf die Beeinflussbarkeit der Hirnfunktionen unterstützt, verfügen wir heute über ein viel größeres Verständnis davon, wie unser Organismus sich in Stress- und Gefahrensituation organisiert und welche gesundheitlichen Konsequenzen das für uns hat. (…)

Mich fasziniert die Aussicht, dass wir Menschen mit unserer Innenwelt im Einklang leben können, wenn wir ihr nur mit einem Funken Bewusstsein begegnen. Und so begrüße ich alles, was den modernen Menschen sich selbst besser fühlen und verstehen lässt, ihm beim Bewältigen der täglichen Herausforderungen und im Umgang mit körperlichen Beschwerden und emotionalen Unstimmigkeiten hilft. In Sachen Selbstschutzreflexe möchte ich, dass so viele Menschen wie möglich ihren eigenen Organismus begreifen lernen, sich im Umgang mit ihm sicher fühlen und „somatisch selbstkompetent“ werden, wie ich gern sage.

Tatsächlich ist eine neue Ära angebrochen, eine, in der wir Menschen mit unserem Nervensystem, welches unseren Organismus instruiert, eine nie dagewesene Intimität erleben dürfen und den Zugang zu einem neuen Körperverständnis finden. Und genau das ist ja auch nötig! Wenn wir in dieser unruhigen, bebenden Welt seelisch und körperlich gesund bleiben wollen, muss unser Organismus in der Lage sein, ziemlich viele Herausforderungen zu meistern. Indem abertausende Impulse täglich auf ihn einstürmen, muss er diese ja auch verdauen und ausbalancieren können.

Darüber hinaus steht der Mensch wie auf unsicherem Boden, weil sich persönliche und gesellschaftliche Gefüge verschieben, als sicher Geglaubtes sich auflöst und Wertigkeiten neu definiert werden müssen. Und dabei nimmt der allgemeine Stressfaktor zu.

Deutlich wird: Wir haben uns tatsächlich um uns selbst zu kümmern, wenn wir heil sein und gesund bleiben wollen, und das schließt den Umgang mit dem Thema des inneren und äußeren Selbstschutzes ein. Weil die Beschäftigung mit dem Thema Selbstschutz dennoch für viele Menschen immer noch so etwas wie das Betreten von Neuland darstellt und der Bedarf nach real umsetzbaren Schritten und Maßnahmen groß ist, stelle ich hier meine beruflichen Erfahrungen aus über 25 Jahren somatischer Praxis zur Verfügung und wünsche mir, dass die Inhalte dieses Buches zu einer wertvollen Gesundheitsressource für so viele Menschen wie möglich werden.

 

Katrin Jonas

 

„Der innere Bodyguard“

 

176 S., Innenwelt Vlg., 20 €

 

Siehe auch unter „Wortwelten“ S. 56.

 

Textauszug mit freundlicher Genehmigung des Innenwelt Verlages.

 


August - Dezember 2024


Ist (Gelenk-)Schmerz vielleicht zu unserem Wohle da?

© lightsource – depositphotos.com
© lightsource – depositphotos.com

Autorin: Beata Korfe


Eine provokative Frage vielleicht – vor allem wenn jemand schon lange an Schmerzen leidet und starke Einschränkungen der Lebensqualität und Lebensfreude erlebt. Dennoch halte ich – und die Praxis scheint dies vielerseits zu bestätigen – die Schöpfung unseres wunderbaren Körpers für eine hoch intelligente. Eine Schöpfung mit umfangreichem Zusammenspiel vieler Strukturen und  Kreisläufe, in der nichts umsonst geschieht. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass uns unser Körper grundsätzlich wohlgesonnen ist. D.h. wenn er uns einen Schmerz schickt, dann um uns auf etwas hinzuweisen, was unserer Aufmerksamkeit bedarf.

Für ein Gelenk bedeutet dies konkret, dass die Umstände im oder um das Gelenk aufgrund unseres bisherigen Verhaltens (von Bewegung über Ernährung bis zu Glaubensmustern) so sind, dass dort Gefahr von Erkrankung oder Schädigung vorliegt. Viele Menschen mit Arthrose glauben z. B., dass der Schmerz aus dem verletzten Knorpel käme. Dies ist jedoch nicht der Fall, da Knorpel gar keine Nerven hat, die dem Gehirn entsprechende Signale senden könnten. Die Reize für Schmerzentwicklung, müssen also aus dem Umfeld des Gelenkes kommen – entweder aus dem Bänder-Sehnen-Faszien-Bereich oder von der Knochenhaut. Liegen um den Gelenkspalt herum zu hohe Spannungen durch verkürzte und unelastische Gewebestrukturen vor, entsteht ein zu hoher Druck im Gelenk, durch den Reibung auf den Knorpel entsteht.

Bei jeder Maschine wäre uns klar, dass z. B. zu eng eingestellte Lager zu vorzeitigem Materialverschleiß führt und das Lager oder Gelenk im Idealfall immer gut geschmiert ist. Unsere Körperintelligenz weiß um diese Umstände und sendet uns Schmerz, wenn wir durch unser ganzheitliches Verhalten Risikoentwicklung bewirkt haben, damit wir die Situation wieder verbessern. Und eine Verbesserung ist über sehr lange Zeit möglich. Knorpel baut sich wieder auf, wenn ihm dafür so Raum geschaffen wird, dass der neu entstandene Knorpel nicht immer gleich wieder abgerieben wird. Zum Aufbau braucht er Nährstoffe und muss Stoffwechselendprodukte ausscheiden können. Hierfür ist die Gelenkflüssigkeit zuständig, die gleichzeitig auch ein Polster zwischen den Gelenkanteilen bildet. Der Knorpel funktioniert –  wie die Bandscheiben auch – wie ein Schwamm. Im Idealfall befindet sich dieser Schwamm in einer mit Nährstoffen angereicherten Flüssigkeit, die er aufsaugen kann, wenn er entspannt, und in die er Stoffwechsel-Endprodukte abgeben kann, wenn er zusammen gedrückt wird. Dies geschieht bei Bewegung des Gelenkes, die gleichzeitig die Bildung der Gelenkflüssigkeit anregt. So kann sich der sogenannte „Anlaufschmerz“ nach längerer Bewegung lösen.

Ich weiß, in manchen Ohren mag dies eine ganz neue Information sein, und mit dem bisherigen Erwartungsbild kollidieren. Tatsächlich ist es jedoch in Studien nachgewiesen, dass Knorpel nachwächst, wenn man ihn nur lässt. Ich selber bin dabei ein gutes Beispiel: Ende der 90er Jahre hatte ich ununterbrochen Schmerzen in mindestens einem der großen unteren Gelenke, meistens in mehreren (beide Hüften und Knie waren betroffen). Auch wenn er zwischendurch weniger intensiv war, war er immer da, weckte mich nachts oft auf, und nicht immer fand sich eine Position, in der ich gleich wieder einschlafen konnte. Damals kannte ich noch gar nicht all die tollen Übungen und Punkte, die ich heute kenne. Dennoch gelang es innerhalb eines halben Jahres mit Hilfe von Affirmationen, Taiji (Taichi) und Fahrrad fahren fast schmerzfrei und innerhalb eines Jahres völlig schmerzfrei zu werden und bis heute zu bleiben. Auch die Röntgenbilder zeigen heute keinerlei krankhafte Veränderung mehr an irgendeinem meiner Gelenke.

 

Mit den richtigen Übungen werden oft noch sehr viel schneller als bei mir damals Verbesserungen erreicht. Natürlich kann niemand irgendetwas garantieren. Ich meine jedoch, dass es sich wirklich lohnt, aufzubrechen zu neuen Ideen und sich selbst die Chance zu geben, es auszuprobieren. Sie können sich ein gutes Selbsthilfebuch, das sowohl Mobilitätstraining kombiniert mit Kräftigungsübungen, als auch Faszienarbeit und vielleicht auch Pressurpunkte vorstellt, besorgen. Hauptfokus liegt auf Mobilität nicht auf Kraft, denn sonst würde man ja noch mehr Spannung in die Strukturen um das Gelenk bringen.

Ich persönlich kombiniere diese Übungen auch gerne mit ggf. individuell zusammen gestellten Affirmationen und vielleicht auch Visualisationen von gesundem Gelenk. Sie können Kurse besuchen, in denen Sie Übungen etc. in der Gruppe erlernen und eventuell einen Austausch mit Gleichgesinnten finden können. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich Gelenke erholen, wenn gut für sie gesorgt wird, ist sehr groß und es lohnt sich immer, meine ich, es anzugehen, und über einen längeren Zeitraum konsequent dran zu bleiben.

Bei Rückenbeschwerden sind übrigens auch sehr oft Mobilitätsübungen wichtiger als Kraftübungen. Auch eine im Verhältnis zur Rückenmuskulatur zu stark oder zu schwach ausgeprägte Bauchmuskulatur kann das feine Zusammenspiel der Muskeln durcheinander bringen und Schmerzen verursachen. Bei diesem Zusammenspiel geht es nicht nur um einen aktiven Muskel, der sich anspannt, und einen Gegenspieler der nachgibt. Dieses sehr vereinfachte Modell wird zwar häufig genutzt, entspricht jedoch nicht der Realität. Der Gegenspieler spielt in der Aktion ebenso mit wie so manch andere umliegende Muskeln. Sie können sich das vorstellen wie beim Maibaumsetzen oder dem Tipiaufbau. Einen langen Stab mit Hilfe von an der Spitze befindlichen Seilen senkrecht aufzurichten und dort zu fixieren, funktioniert nur mit Zug aus mehreren Richtungen.

Wenn Sie mit Fasziengeräten arbeiten, hier ein paar Tipps: a) Langfristig nicht öfter als 3 x die Woche denselben Körperbereich bearbeiten, da sonst der Stoffwechsel in diesem Bereich zu sehr angefeuert würde – wie ich auf einer Faszienschulung lernen durfte. b) Möglichst langsam und immer zur Körpermitte hin rollen, also mit der Fließrichtung der Lymphflüssigkeit. c) Am Rücken Geräte so platzieren, dass die Wirbelsäule druckfrei bleibt. Es gibt Rollen mit einer Rinne in der Mitte oder Doppelbälle, die sich sehr gut für die Rollmassage neben der Wirbelsäule eignen.


Von Herzen wünsche ich Ihnen optimalen Erfolg dabei, Ihre Lebensqualität durch eigenes Handeln zu erhalten oder zu erhöhen.

KraftDesign, Beata Korfe, www.kraftdesign.org, info@kraftdesign.org, 01517 / 50 44 038


Echtes Mädesüß oder Wiesenkönigin

© jhenning – pixabay.com
© jhenning – pixabay.com

Autorin: Barbara Simonsohn

Eine Schmerzpflanze, die zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist 


Vielleicht ist Ihnen im Sommer eine hoch gewachsene cremeweiß blühende Wiesenpflanze aufgefallen, eine echte Schönheit, welche alle Wiesenpflanzen überragt. Bei den Kelten galt Mädesüß neben Eisenkraut und Wasserminze als eine der drei heiligsten Pflanzen. Die Druiden, die Schamanen der Kelten, verehrten die Pflanze und nutzten sie zur Heilung (vgl. „Hagers Handbuch der Drogen und Arzneistoffe“, Springer-Verlag, Heidelberg 2013). 

Das Echte Mädesüß oder Filipendula ulmaria L. wurde bei den Germanen zum Aromatisieren von Met verwendet, daher kommt wahrscheinlich sein Name, der sich von „Metsüße“ abgeleitet haben kann. Mädesüß wächst gern auf Wiesen, wenn diese feucht genug sind. Im Deutschen wird die Heilpflanze daher auch „Wiesenkönigin“ genannt. 

Die Pflanze enthält Salicylaldehyd, was in der Leber in die fiebersenkende, entzündungshemmende und schmerzstillende Salicylsäure umgewandelt wird. Noch heute wird das Echte Mädesüß gegen Schmerzen und Fieber eingesetzt. Aus den Blütenknospen wurde früher Salicyaldehyd gewonnen. Spiraea ulmaria ist der alte lateinische Name, und damit stand die Pflanze Pate für Aspirin, was „A spiraea“ heißt, „aus der Spierstaude stammend.“ Längst wird Aspirin synthetisch hergestellt.

 

Verbreitung

Echtes Mädesüß wächst vor allem in Nordeuropa und Ostasien, in der nördlichen gemäßigten Zone, aber auch in Italien, Frankreich und Spanien. In Nordamerika gibt es nur kleine Bestände durch Einschleppung. Die Pflanze ist sehr gesellig und bevorzugt feuchte Wiesen, Bach- und Flussufer, Sümpfe und Auen. 

Die Pflanze

Der Echte Mädesüß gehört zu den mehrjährigen Rosengewächsen und wächst bis zu zwei Meter hoch. Die Stängel sind kantig, oben verästelt und rötlich. Daraus ersprießen zahlreiche wechselständige gefiederte Blätter. Die gelblich-weißen beziehungsweise cremeweißen Mädesüßblüten sind einzeln unscheinbar. Sie bestehen aus fünf kleinen Blütenblättern, sechs bis neun Zentimeter im Durchmesser, die in zahlreichen Trugdolden angeordnet sind. Die langen Staubblätter ragen auffallend weit aus ihnen hinaus und vermitteln so ein weiches, flauschiges Aussehen. Der Duft der Blüten ist einzigartig mandel-artig süß. Die Blütezeit ist von Mai bis August.

Inhaltsstoffe und Wirkweise

Echtes Mädesüß wird arzneilich fast ausschließlich als Tee verwendet, und zwar entweder nur die Blüten, oder das Kraut oder der obere Teil der Staude, oder beides. Während der Blüte ist Erntezeit, und da Mädesüß nicht angebaut werden kann, gibt es den Tee nur aus Wildsammlung. Innerlich angewendet wirkt der Tee harn- und schweißtreibend, schmerzstillend, fiebersenkend, antirheumatisch und entzündungshemmend. Die Blüten enthalten das ätherische Öl mit den wichtigen Bestandteilen Salicylaldehyd und Salicylmethylester in noch höherer Konzentration als das Kraut. Außerdem finden sich in der Pflanze Flavonoide wie Spiraesoid, Rutin, Hyperosid und weitere Quercetinverbindungen und als Gerbstoffe Ellagitannine und Gallotannine. 

Den Tee lässt man bis zu zehn Minuten ziehen und trinkt ihn schluckweise. Nebenwirkungen sind keine bekannt, ebenfalls keine Wechselwirkungen. Die Kommission E, das Expertengremium zum Thema Pflanzenheilkunde des deutschen Gesundheitsministeriums, empfiehlt bei Fieber, einen Tee aus ein bis zwei Teelöffel Mädesüssblüten zu trinken.  Die EFSA – Europäische Kommission für Lebensmittelsicherheit - erlaubt die Gesundheitsaussagen „trägt zur Gesunderhaltung der Gelenke bei“ und „unterstützt die Beweglichkeit der Gelenke“ und betont die verbesserte Wasserausscheidung über die Nieren durch Mädesüß.   

© congerdesign – pixabay.com
© congerdesign – pixabay.com

Wie sind die vielfältigen Wirkungen von Mädesüß zu erklären?

1838 gewann der Schweizer Apotheker Johann Pagenstecher erstmals aus dem Mädesüß Salicylaldehyd, den Vorläufer der Salicylsäure. Salicylaldehyd wird in der Leber zu Salicylsäure umgewandelt. Die Salicyläsure hemmt die Bildung von entzündungsfördernden Prostaglandinen und wirkt zusammen mit weiteren Flavonoiden fiebersenkend und entzündungshemmend. Die Inhaltsstoffe von Mädesüß, allen voran Salicylaldehyd, dämpfen das sympathische Wärmeregulationszentrum, so dass die Temperatur bei Fieber relativ schnell absinken kann, erweitern die Blutgefäße in der Peripherie und regen die Schweißproduktion an. Außerdem wirkt Salicylsäure desinfizierend und antiseptisch und verhindert Ödembildung. Damit wirkt Mädesüß auch als Venenschutz zur Vorbeugung einer chronisch venösen Insuffizienz.  

Salicylaldehyd und Salicylmethylsäureester, ein weiteres Salizylat-Derivat, haben entzündungshemmende Eigenschaften und sind daher für die äußere Anwendung bei Akne geeignet. Zusammen mit Flavonoiden wirken Salizylat-Derivate antibakteriell, so dass die Vermehrung der Akne verursachenden Bakterien unterbunden wird. Sie lösen sanft die Hornhaut auf, die sich oft bei Akne an den Ausführungsgängen bildet, und der Talg kann wieder ungehindert auf die Hautoberfläche fließen. Man stellt einfach einen Sud aus drei Teelöffeln Mädesüßblüten-Tee auf einem halben Liter Wasser her, den man eine halbe Stunde zugedeckt köcheln lässt. Man tunkt eine Kompresse in den Sud, drückt sie aus und legt sie auf die Haut zum Einwirken.    

Die Ellagitannine in Mädesüß gehören zu den Gerbstoffen und haben eine adstringierende Wirkung. Dadurch wird die Reizbarkeit der Zellen vermindert und gleichzeitig ihre Widerstandsfähigkeit gesteigert. Bei Wunden und entzündeten Schleimhäuten wirken die Gerbstoffe durch Adstrinktion entzündungshemmend und schmerzstillend. Das Eindringen von Erregern in die Schleimhäute oder tiefer liegende Wundschichten wird erschwert oder verhindert, und die Wiederaufnahme von giftigen Zerfallsprodukten wird gehemmt.  Ellagitannine wirken lokalanästhetisch und binden als kraftvolle Antioxidantien freie Radikale. 

Die wasserlöslichen Polysaccharide aktivieren das Komplementsystem des menschlichen Organismus, ein wichtiger Teil unseres Immunsystems. Das Komplementsystem moduliert Entzündungsprozesse und aktiviert Leukozyten oder weiße Blutkörperchen als wichtigen Teil der Immunabwehr. Das Heparin in Mädesüß, ein Polysaccharid, hält das Blut dünnflüssig und optimiert die Blutgerinnung. Durch die Verhinderung der Bildung von Blutgerinnseln wird die Bildung von Thrombosen verhindert. Thrombosen in den Arterien sind häufig die Ursache für Herzinfarkte und Schlaganfälle. 

Seit Aspirin preiswert synthetisch hergestellt wird, ist Mädesüß als vielseitige und potente Heilpflanze leider in Vergessenheit geraten. Mehr als fünfzig wissenschaftliche Studien bestätigen die antientzündliche, magenschützende, antioxidative, herzstärkende, schmerzlindernde, krebshemmende, pilzhemmende und antibakterielle Wirkung der Pflanze und seine günstige Wirkung auf das Mikrobiom. Echtes Mädesüß hemmt die Bildung von Geschwüren und verbessert die Beweglichkeit von Gelenken.  Für viele unserer aktuellen Gesundheitsprobleme scheint dieses Kraut gewachsen zu sein. Angesichts der langen Geschichte als Heilpflanze und die Bestätigung der Heilwirkungen durch zahlreiche wissenschaftliche Studien steht in meinen Augen einer Renaissance dieser wunderschönen Wiesenkönigin als Gesundheitsprophylaxe und Pflanzenmedizin nichts mehr im Wege. 

 

Bezugsquellen

Fertigpräparate aus Echtem Mädesüß sind leider fast komplett vom Markt verschwunden.

Die Firma Ceres www.ceresheilmittel.de führt die Filipendula ulmaria -Urtinktur als homöopathisches Einzelmittel (soll das Sonnengeflecht und den Pankreas stimulieren).

Der Mädesüßblüten Dr. Pandalis Bio Tee ist der einzige in Apotheken erhältliche Mädesüßblütentee in Bioqualität. 

Mädesüß ist neben Stechendem Mäusedorn und Echtem Steinklee im Venenmittel „Veneo 093“ von Dr. Pandalis enthalten, www.pandalis.de


April - August 2024


Der Schachtelhalm -  Heilkraut mit Urkraft

© Dorothee Stübe
© Dorothee Stübe

                                                                                                                                               Autorin: Dorothee Stübe

Seit mehr als 3 Millionen Jahren weilt der Schachtelhalm auf dieser Erde und zählt damit zu den ersten grünen Landbewohnern. Während er sich in grauer Vorzeit noch als mächtiger Baum mit einer Höhe von bis zu 30 Metern präsentierte, schrumpfte er im Laufe der Evolution auf 50 cm zusammen. Noch heute erinnern die Steinkohlevorkommen an die mächtigen Schachtelhalmwälder aus der Zeit des Karbon.

In der Pflanzensystematik zählt man den Schachtelhalm, wie auch Farne und Bärlappe, zu den Gefäßsporenpflanzen. Dieses „lebende Fossil“ trägt keine Blüten und Früchte und vermehrt sich über Sporen. Der Schachtelhalm bildet ab März einen unscheinbaren hellbraunen Spross, an dessen Spitze die Sporen reifen. Diese werden dann als blaugrüner Staub vom Wind fortgetragen, und der Frühjahrstrieb stirbt ab. Danach erscheint der unfruchtbare grüne Sommertrieb. Mit seinem geraden Wuchs und den quirlständigen Seitentrieben erinnert er an ein Tannenbäumchen. Man ahnt nicht, dass dieses schlichte Pflänzchen mit tief ins Erdreich ragenden Rhizomen verbunden ist, die ein schier unbesiegbares, weit verzweigtes Wurzelgeflecht bilden. Schachtelhalm wächst an Wegrändern, Gräben und Äckern. Er bevorzugt verdichteten staunassen Boden. 

 

Wundermittel Kieselsäure 

Sein Erscheinungsbild hat ihm die Beinamen Katzenwedel und Pferdeschwanz eingebracht. Die Bezeichnung Schachtelhalm weist auf die ineinander geschachtelten Stängelabschnitte des Haupttriebes und der Seitenäste hin. Auch als Scheuerkraut und Zinnkraut ist er bekannt, denn mit seiner rauen, kieselsäurehaltigen Oberfläche lässt sich gut Geschirr aus Zinn und anderen Metallen reinigen. Auch die Blätter von Holzblasinstrumenten werden mit Schachtelhalm bearbeitet.

Neben dem Hauptwirkstoff Kieselsäure verfügt der Schachtelhalm über Kalium, Gerbstoffe, Saponine und Flavonoide. Kieselsäure hat eine festigende Wirkung auf Knochen, Zähne, Fingernägel und Bindehaut. Selbst im Hochleistungssport finden Schachtelhalmpräparate Verwendung, um Sehnen und Knochen zu stärken, damit sie extremen Ansprüchen standhalten. Die kräftigende und festigende Wirkung der Kieselsäure kommt auch den inneren Organen zugute: So wurde Schachtelhalm bereits in der Vergangenheit zur Bekämpfung von Tuberkulose sowie bei chronischem Husten eingesetzt. In vielen Fällen wird er auch bei Blasen- und Nierenleiden verwendet. Schachtelhalmtee hat eine harntreibende Wirkung und wird auch blutstillendes Mittel geschätzt. Seine Wirksamkeit im Bereich Hautpflege macht ihn sogar in der Kosmetik zu einer beliebten Pflanze. 

 

Zur Stärkung eine Tasse Tee

Für die Zubereitung eines Tees wird das Kraut in kaltes Wasser gegeben, das allmählich auf dem Herd erhitzt und zum Kochen gebracht wird. Lässt man den Ansatz über Nacht stehen, können sich vorab schon einige Wirkstoffe herauslösen. Mit einer Kochdauer von 15 - 20 Minuten wird die   wertvolle Kieselsäure herausgelöst. Danach filtert man die Flüssigkeit ab, und fertig ist der Tee. Wer schon einmal Schachtelhalmtee getrunken hat, weiß um den milden, leicht heuartigen Geschmack. Wenn man etwas mehr Aroma möchte, kann man dem Tee etwas Melisse oder Pfefferminze hinzufügen. Für die Zubereitung eines Tees lässt sich frisches  sowie getrocknetes Kraut verwenden. Man berechnet bei frischem Kraut immer die doppelte Menge. Für eine Tasse Tee nimmt man 1 - 2 Teelöffel getrocknetes Kraut pro Tasse. Bei eingeschränkter Herz- und Nierentätigkeit sollte man jedoch von regelmäßigem Gebrauch absehen. 

 

© Dorothee Stübe
© Dorothee Stübe

Der nützliche Helfer im Garten

Auch die Pflanzen im eigenen Garten profitieren von der Drachenmedizin. Bei Pilzbefall und Schädlingen kann ein selbst gemachter Sud Abhilfe schaffen: Man übergießt 300 g frisches oder 100 g getrocknetes Kraut mit 5 Liter Wasser und lässt es 24 Stunden einweichen. Danach erhitzt man den Ansatz und lässt ihn 10 Minuten kochen. Anschließend wird der Sud 1:5 mit Wasser verdünnt. Zum Schluss wird die Flüssigkeit durch ein Sieb oder Mulltuch abgefiltert. Die Pflanzen kann man auf drei aufeinanderfolgenden Tagen mit dem Sud besprühen und gegebenenfalls den Vorgang nach einer Woche wiederholen. Der kieselsäurehaltige Sud verleiht der Pflanze Widerstandskraft und eignet sich auch gut als Dünger.

 

Ackerschachtelhalm und seine giftigen Verwandten

In der Zeit von April bis August kann der Ackerschachtelhalm geerntet werden. Bei älteren Trieben ist darauf zu achten, dass sie frei von Pilzbefall sind. Er ist durch schwarze Flecken an Stängel und Seitentrieben zu erkennen. Da es auch giftige Arten unter den Schachtelhalmen gibt, sollte man beim Sammeln genau wissen, mit wem man es zu tun hat. Besonders die Ähnlichkeit mit dem giftigen Sumpfschachtelhalm erschwert eine sichere Unterscheidung. Lediglich die Länge des ersten Abschnittes eines Seitenastes kann als sicherer Faktor zum Unterscheiden der beiden Arten herangezogen werden. Dieser muss die Stängelscheiden, das sind die gezackten dunklen Abschnitte an den Knoten des Haupttriebes, an Länge übertreffen. Für die Unterscheidung braucht es etwas Übung, daher sollte man bei der Ernte eine kräuterkundige Person an seiner Seite haben oder die Droge aus der Apotheke beziehen. Besonders für Weidetiere stellt der Sumpfschachtelhalm eine Gefahr dar. Eine übermäßige Einnahme dieser Pflanze kann zu Taumeln, Bewegungsstörungen bis hin zum Tod führen. Dafür verantwortlich ist das Alkaloid  Palustrin. Ein Giftstoff, der sogar noch in Heu und Silage wirksam ist.

 

Das Beste zum Schluss: Konzentration auf das Wesentliche

Es ist nichts Neues: Schon die Heilkundigen aus der Vergangenheit, wie Dioskurides, Paracelsus und Hildegard von Bingen, waren mit der geistig-seelischen Wirkung von Heilpflanzen vertraut. Gemäß seines schmucklosen und strukturierten Erscheinungsbildes gilt hier das Motto „Konzentration auf das Wesentliche“. Wenn Ablenkung und Verwirrung das Leben unüberschaubar machen, verhilft der Schachtelhalm zu  Ausdauer, Geduld und Struktur. Er bringt Klarheit und Fokussierung in die Gedanken. Und er erinnert uns an die Dinge im Leben, die wichtig und wertvoll sind. Konzentration auf das Wesentliche -  möglicherweise das Geheimnis für ein friedliches und langjähriges (Über-) Leben auf diesem Planeten.

Dorothee Stübe ist ausgebildete Kräuterfachfrau in Oldenburg. Aktuelle Veranstaltungen unter www.krautundklang.de


Säuren loswerden – wichtig und leichter, als Sie denken!

                                                                                                                                                                                                                         Autorin: Barbara Simonsohn

Der deutsche Arzt und Forscher Professor Otto Warburg, der 1931 den Medizin-Nobelpreis für diese Entdeckung erhielt, fand heraus, dass sich Krebszellen gegenüber gesunden Zellen durch einen höheren Milchsäure-Spiegel aufgrund anaerober Glykolyse auszeichnen. Er hielt diese Übersäuerung schon damals für die Entstehungsbasis für Krebs. Die Krebszelle braucht ein saures Milieu zu ihrem Gedeihen, und produziert dafür selbst Säuren. Das Milieu ist also entscheidend. Heute ist Fasten durch die wissenschaftliche Forschung des Italieners Dr. Valter Longo in den USA zu einer bewährten Behandlung bei Krebs geworden, weil es nachweislich gesunde Zellen stärkt und kranke schwächt. Einen entscheidenden Anteil dürfte daran die Entsäuerung haben, die beim Fasten stattfindet.

Übersäuerung ist eines der Grundübel unserer an Problemen reichen Gesundheitsmisere. Wenn Sie Ihrem Hausarzt sagen, sie seien übersäuert, kann es passieren, dass dieser eine Blutprobe nimmt, diese untersucht und Entwarnung gibt: „Nein, Sie sind nicht übersäuert.“ Die Blutazidose oder –übersäuerung ist ein lebensbedrohlicher Zustand. Das „weiß“ auch die Weisheit unseres Körpers, unser „innerer Arzt“ (Paracelsus), und parkt überschüssige Säuren im weniger lebensgefährlichen Terrain, dem kollagenen Bindegewebe. Nicht, dass es dort keinen Schaden anrichten könnte: Durch Verschlackung des Gewebes können weiße Blutkörperchen im Falle einer Infektion nicht mehr schnell genug zum Infektionsherd, das Immunsystem ist geschwächt. Außerdem sind die Nährstoffversorgung und Reinigung der Zelle behindert. Die Zelle ist nicht mehr funktionstüchtig und setzt ein Apoptose-Programm in Gang. Die Zelle stirbt. Sterben zu viele Zellen ab, werden wir krank, weil die Organfunktionen beeinträchtigt sind.

 

Die Schulmedizin leugnet den Zusammenhang zwischen Übersäuerung und Krebs, aber auch so vielen anderen Krankheitsbildern wie Rheuma, Diabetes Typ II, Gicht und Herz-Kreislauferkrankungen. Durch Entsäuerung kommen wir nicht nur wieder ins Säure-Base-Gleichgewicht, sondern auch ins seelische Gleichgewicht. Entsäuerung hat nicht nur positive Auswirkungen auf den Körper, sondern auch auf die Seele und den Geist. Entsäuerung ist eine Form der körperlichen Entschlackung, die bis auf die seelische Ebene erleichtert und befreit. Säulen sind dabei Darmreinigung, basenbetonte Ernährung, Bewegung, Azidosemassagen nach Dr. Renate Collier sowie Entspannungsmethoden wie das authentische Reiki. Stress – chronischer Stress – ist nämlich der stärkste Säurefaktor, noch vor säurebildender Ernährung, Genussgiften wie Alkohol und Nikotin und Bewegungsmangel. Die Azidose-Therapie nach Dr. Renate Collier beruht als erstes auf genialen Azidose-Massagen, die man sogar in Eigenregie durchführen kann wie die Kopf-Nacken-Massage, Bauchmassage oder Bein-Fuß-Selbstmassage. Es handelt sich dabei im besten Sinn um eine Selbsthilfemethode, die man auch erfolgreich bei anderen anwenden kann. 

© Helga Wuttke
© Helga Wuttke

Dr. Renate Collier war eine Mayr-Ärztin, die ihren Patienten ursächlich und dauerhaft – nachhaltig – helfen wollte. „Es liegt mir am Herzen, den Menschen zu helfen, bevor sie unheilbar krank werden.“ (Dr. Collier) Mit der Zeit entwickelte sie ein ganzheitliches Programm zur Entsäuerung mit Schwerpunkt auf tiefgreifenden Bindegewebs- und Lymphmassagen. Ihren Patienten in ihrer Kurklinik in Westerland brachte sie die Bauchselbstmassage bei, die sie auch in ihrem GU-Bestseller „Wie neugeboren durch Darmreinigung“ ausführlich in Wort und Bild beschrieb. Das passte dem Bund der Mayr-Ärzte damals überhaupt nicht, und sie flog hochkarätig aus dieser Organisation heraus. Wohin könnte es denn führen, wenn Patienten sich selbst helfen könnten, und die „Halbgötter in weiß“ von ihrem Thron gestoßen würden?  

Dr. Renate Collier führte zeitlebens ein Leben gegen den Strom. Ich hatte das Privileg, sie in zahlreichen Kurseminaren erleben zu dürfen. Sie war dickköpfig, offen für Neues, begeisterungsfähig, visionär, mit weitem Blick, allergisch gegen selbst ernannte Autoritäten. 

Ihre Abiturarbeit schrieb sie über den großen Arzt Paracelsus, und mit 24 Jahren leitete sie bereits als Ärztin die Abteilung für chirurgische und innere Medizin an einem Krankenhaus in Lyck im ehemaligen Ostpreußen. Was sie entdeckte: trotz normaler Laborwerte fühlten sich Patienten krank und erschöpft. Durch basenüberschüssige Kost und Entsäuerungsmassagen wurden sie zu einem neuen Menschen: gesund, strahlend, schön. Von Anfang an machte Dr. Collier ihre Patienten zu Mitwissern und mündigen Gesundheitsexperten, erklärte ihnen die Hintergründe und brachte ihnen Massagen und Selbstmassagen bei. Sie erkannte schon früh: „Der Säure-Basenhaushalt ist das größte, oft existenzielle Problem des Stoffwechsels und damit des Menschen.“  

© JillWellington – pixabay.com
© JillWellington – pixabay.com

90 Prozent der Bevölkerung sind mehr oder weniger übersäuert. Schon für Hippokrates und Paracelsus galt die latente oder Gewebs-Azidose als Grundursache aller chronischen Krankheiten. Eine latente Azidose macht sich nicht im Blut bemerkbar, sondern das Bindegewebe wird überwiegend als Abladeplatz für überflüssige und potenziell gefährliche Säuren genutzt. Der Säure-Basen-Haushalt sorgt idealerweise für ein stabiles Milieu, in dem die vitalen biochemischen Stoffwechselprozesse optimal ablaufen können. Durch zu viel Säure kann die Zelle vergiftet werden und eingehen. Nur gesunde Zellen aber können Gesundheit schenken. Zellgesundheit ist unser wahrer Wohlstand. Der norwegische Biochemiker Ragnar Berg forderte von Gesunden, das Vierfache an Basenbildnern zu essen wie an Säurebildnern. Das Verhältnis ist aber bei den meisten Menschen genau umgekehrt.  In ihrer unnachahmlich direkten und undiplomatischen Weise stellte Dr. Collier fest: „Am Anfang einer jeden Erkrankung steht ohne Ausnahme die Übersäuerung.“ 

 

Der latenten Azidose können Sie durch Maßnahmen wie eine Änderung der Ernährung, genügend Bewegung, ausreichend Ruhe und Schlaf, Lösung psychischer Probleme, Darmsanierung und Azidose-Massagen gut entgegenwirken. Ausscheidungskrisen wie Katarrhe oder Entzündungen sind der verzweifelte Versuch des Körpers, seine Säurelast zu mindern. Nach den Gesetzen der Kybernetik kann das Versagen des kleinsten Teils eines Systems zum Untergang des Ganzen führen. Die Zelle als kleinstes Teil ist nach Dr. Collier „die eigentliche Werkstatt des Lebens“. Darum müssen um jeden Preis die Bedürfnisse der Einzelzelle befriedigt werden, soll nicht eines Tages das ganze System zusammenbrechen.  Azidose-Therapie bedeutet nicht nur ursächliche Behandlung von Beschwerden, sondern Vorbeugung chronischer Erkrankungen, Verjüngung und Lebensverlängerung. Das große Verdienst von Dr. Collier ist es, dass sie das Thema Azidose und Azidosetherapie bei vielen ihrer Kollegen bekannt gemacht, viele Heilpraktiker und weitere Interessierte in dieser Methode ausgebildet und eine Laienbewegung betroffener Patienten initiiert hat.

Die Ursachen der Übersäuerung liegen im Mineralstoffmangel unserer Lebensmittel. Unsere Böden und damit auch die Pflanzen, die darauf wachsen, leiden aber an einem Mangel an Mineralstoffen und Spurenelemente wie Selen und Magnesium. Auch im Bio-Landbau sind die Züchtungsziele falsch, weil sie auf Äußerlichkeiten wie Geschmack und Aussehen ausgerichtet sind und nicht auf innere Werte: eine hohe Vitalstoffdichte für unsere Gesundheit. Dazu kommt: Nur 7 Prozent der Männer und 15 Prozent der Frauen erreichen die von Ärzten empfohlenen 5 Portionen von Gemüse und Obst pro Tag. Wir verhungern auf der Zellebene an vollen Töpfen, nehmen zu viele Kalorien und zu wenig Vitalstoffe auf.  Viele Deutsche sind Bewegungsmuffel. Durch Schwitzen werden Säuren ausgeschieden. Immer mehr leiden unter Stress. Stresshormone wirken als Säurebildner. Umweltgifte wirken ebenfalls säuernd.  Anorganische Säuren als Ausgleich sind nicht die Lösung, weil sie auf Dauer zu Arteriosklerose, zur Arterieninnenwandverkalkung, beitragen.

 

„Die Krankheiten befallen uns nicht aus heiterem Himmel, sondern entwickeln sich aus täglichen kleinen Sünden wider die Natur“, wusste schon Hippokrates. Heute sind fast nur noch gestillte Säuglinge und Angehörige von Naturvölkern im Säure-Basen-Gleichgewicht. Inneren Frieden und heitere Gelassenheit können wir kaum erleben, wenn wir physiologisch übersäuert sind. Sauer macht psychisch sauer, wir werden gereizt, aggressiv oder depressiv. Wer übersäuert ist, hat meist keine tiefen Meditationserlebnisse oder spirituelle Erfahrungen. Azidose betrifft Körper, Seele und Geist. 

Ich habe mit meinem Buch „Säuren loswerden“ Dr. Renate Collier und ihrer Pionierleistung ein kleines Denkmal gesetzt. Mit genauer Anleitung der Bindegewebsmassagen und sonstiger Tipps wie Darmreinigung und Basenwickel kann jeder der Entstehung von Krankheiten den sauren Boden entziehen und die Uhr seines biologischen Alters zurückdrehen sowie neue Vitalität und Lebensfreude entwickeln. Nur im Säure-Basen-Gleichgewicht blüht der Mensch auf und ist den Herausforderungen des modernen Lebens gewachsen. Nur so kann er seinen Auftrag erfüllen: „Sei du die Veränderung, die du von der Welt erwartest.“ (Mahatma Gandhi)

Barbara Simonsohn: „Säuren loswerden. Von Darmreinigung über Massage bis Basenwickel: alles, was hilft, gesund und fit zu werden“, Schirner 2024. 

Siehe auch unter „Wortwelten“ auf S. 55.

Und: „Das Basische Prinzip. Dr. Jacobs Schutzformel gegen die größten Gesundheitskiller unserer Zeit“, Mankau

Azidose-Therapie-Seminare mit Schwerpunkt Massagen in München und Hamburg - www.Barbara-Simonsohn.de