"Kein Entkommen - Gewahrsein als Befreiung
Claude AnShin Thomas brauchte viele Jahre, um mit seinen schrecklichen Erfahrungen im Vietnamkrieg umgehen zu können – ein Prozess, der bis heute andauert. Die Berührung mit dem Buddhismus gab ihm ein neues Verständnis unseres menschlichen Leidens und einen Weg zur Befreiung.
evolve: Leid und Schmerzen scheinen etwas sehr Persönliches zu sein, denn wir fühlen all die Emotionen, die mit Leid und Schmerzen in Verbindung stehen, in unserem Inneren. Als Vietnam-Veteran sind Sie tief in das Herz der Finsternis eingetaucht, und mir scheint, mit so etwas kann man auf der Basis des Persönlichen gar nicht fertig werden. Wir geht es Ihnen damit?
Claude AnShin Thomas: Ich glaube, mit Leid und Schmerz kann man nur auf der Basis des Persönlichen umgehen, denn die Erfahrung ist eine persönliche. Ich weiß nicht, ob Sie etwas von der Arbeit mit den generationsübergreifenden Auswirkungen von Kriegen wissen. Ich bin Zen-buddhistischer Mönch, und deshalb steht mein Denken unter dem Einfluss der Praxis des Zen, doch dieses Verständnis der Welt und meines Lebens bestand schon lang, bevor ich mit der Praxis des Zen in Berührung kam. Die Zen-Praxis hat mir einfach eine Sprache gegeben, um die Realität des Karma präziser auszudrücken. Karma bedeutet, dass es zu jeder Ursache eine Wirkung gibt. Wir können allerdings nicht wissen, wann und in welchem Ausmaß sich diese Wirkung manifestieren wird. Karma ist nicht nur eine private, sondern eine kollektive Realität.